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Cowboys zurück in der Regionalliga

Es ist Ende August, und die Luft klebt an diesem Mittwochabend in der Multifunktionshalle am Ende des Gewerbegebiets xx. Hier findet das Training der Walddörfer SV Cowboys statt, und wer beim Wort Cowboys und Volleyball aufmerkt, hat natürlich recht: Da war doch mal was. Damals, vor bald 20 Jahren, als die erste Mannschaft des Oststeinbeker SV (OSV) in die Volleyball-Bundesliga aufstieg – eine kleine Sensation. Mehrere Jahre gab es ein Auf und Ab zwischen Erster und Zweiter Liga, 2008 löste sich das Team schließlich auf. - Aber nun wollen sie es doch noch einmal wissen. Entgegen aller Vernunft. „Space Cowboys live“, wie sie hier zu ihrem Projekt sagen, oder auch einfach: „Alte Säcke am Netz“. 53 Jahre ist der älteste Spieler des Teams, der jüngste 32. In der Regionalliga Nord treten sie gegen Athleten an, die ihre Söhne sein könnten. Seit 13 Jahren spielt der Kern der Cowboys schon zusammen, und wie es immer so ist, hat auch ihnen das Leben voll mitgespielt. Es gab Karrieren, die steil waren oder scheiterten, Scheidungen und Verletzungen, schwere Krebserkrankungen. Aber es gab auch immer den Mittwochabend. - Bis 22 Uhr dauert das Training, dann setzen sich alle zusammen, trinken ein Bier und schütteln den Kopf. „Über die Corona-Zeit haben wir tatsächlich mehr Substanz verloren haben, als uns klar war“, sagt Rüdiger Barth (48). Er gehört zum Kern der Mannschaft, die damals in die Bundesliga aufstieg. Mit Spielern wie Jan Buhrmester und Hendrik Hofmann, die inzwischen aus der Dusche gekommen sind, „der da, der Henni“, sagt Barth und zeigt erst auf Hofmann, dann hinter sich ins Dunkle der Halle, „der stand damals auf dem Feld, als Georg Grozer Junior den Ball hier beim Aufschlag an die Decke gezimmert hat“. - Damals, als die kleinen Hamburg Cowboys den großen SC Moers mit 3:1 aus der Halle jagten, vor 1000 Zuschauern, „wir mussten Zusatztribünen aufstellen“. Solche Geschichten sind die DNA dieses Teams. Und sie sind einer der Gründe dafür, dass es jetzt einfach noch mal sein muss: diese eine Saison in der Regionalliga Nord. Weshalb die Cowboys sogar extra den Verein gewechselt haben: zum Walddörfer SV, weil der OSV mit den Pirates ja schon ein Team in der Regionalliga hat. Und das erste Heimspiel der Cowboys? Ist nun ausgerechnet das Derby gegen den alten Verein. Die Cowboys gegen die Pirates. - Wir sind die Mannschaft, gegen die wir nie spielen wollten, als wir noch jung waren“, sagt Jan Buhrmester (43). - Er muss es wissen. In den 90er-Jahren besuchte er das Frankfurter Elite-Internat der Volleyballer, eine Zeit, über die er aktuell wieder viel nachdenkt. Weil es ja auch damals schon diese Teams gab, gegen die man immer verlor. Die man gar nicht Ernst genommen hatte. Schütteres Haar, ein Ansatz von Plautze. Und die wollen gewinnen? - Es ist der 8. September, 19 Tage sind es noch bis zum ersten Match. Die Skepsis – noch immer groß. Die wochenlange Corona-Pause mag schon 20-jährige Athleten arg zurückwerfen, aber bei Vierzigjährigen? Sind die Folgen brutal. Auch bei Aimo-Rhys Heilmann (46), einer der Neuzugänge des Teams, was insofern bemerkenswert ist, als Heilmann schon eine gewisse Karriere hinter sich hat: Er war Schwimmer. Bei den Olympischen Spielen 1996 gewann er mit der 200-Meter-Freistilstaffel die Bronzemedaille. - Und nun Volleyball? „Ja, das war die Sportart, die mich schon immer interessiert hatte“, sagt Heilmann. Er spricht viel über diese Mannschaft, zu der er gehört, die ihm heilig sei, so drückt er es aus. „Dass sie einem Fisch wie mir versucht haben, Volleyball beizubringen und sich jetzt sogar trauen, mich in der Regionalliga aufs Feld zu schicken“, sagt er und lacht. „Das ist doch eigentlich unglaublich. - Wobei – nicht allen ist zum Lachen zumute. Jan Schneider, der Präsident, hat sich vor Wochen beim Wasserskifahren mit seinem Sohn die Schulter verletzt. Er wird den Auftakt verpassen. Bei Patrick Klose, dem jüngsten im Team, machen immer wieder die Waden zu. - Am 27. September ist es schließlich soweit. In der Sporthalle Hoheluft verteilen sich an die 40, 50 Neugierige. Der Eimsbütteler TV war letztes Jahr Dritter der Regionalliga, ein eingespieltes Team, einer der Favoriten. Das Team sieht aus wie ein Haufen Studenten, manche erkennbar Kraftraum-gestählt. Nach dem Warmmachen haben sich die Cowboys in die Kabine verzogen. Der verletzte Präsident kramt sein Handy hervor, grinst. Ein hohes Pfeifen ertönt: „Engel“ von Rammstein, das das Team einst im Abstiegskampf der Zweiten Liga hörte. Fast 20 Jahre her. Vierzigeinhalb ist der Altersdurchschnitt des Teams an diesem Tag. Der Kapitän ist 53 Jahre alt. Es kann nicht gut gehen. - Pünktlich um 13 Uhr beginnt das Spiel. Und es ist im Grunde unbegreiflich: Nach den langen Monaten des Wartens und Zweifelns, den letzten mühsamen Wochen des Formfindens, ist es, als hätte jemand die Cowboys aufgezogen. Der erste Aufschlag – fast wie ein Stromstoß. Und dann: spielen nur sie, schmettern und baggern, spielen sich in einen Rausch. Der ETV nimmt eine Auszeit, dann noch eine, wechselt, wechselt noch einmal. Den Gästen glückt nahezu alles. Aimo Heilmann brilliert im Mittelblock, wo er zuvor noch nie gespielt hat, Sebastian Neufeld, eigentlich Spielmacher, punktet im Angriff. In den Augen der Spieler ist ein Leuchten zu sehen. Am Ende steht es 3:0, ein Kantersieg. Die alten Cowboys, sie springen im Kreis wie die Kinder. Allein für dieses eine Match, für dieses Erlebnis, werden sie danach sagen, hat sich schon alles gelohnt. - Nach drei Spieltagen sind sie Tabellenführer. Drei Siege, neun Punkte, 9:2 Sätze. Und dann versteht man: Das ist die Geschichte dieses Teams. Dass es um mehr geht als ums Gewinnen, mehr als nur Volleyball. Es geht um die Weisheit des Alters und die Kraft der Freundschaft. Es geht darum, was eine Mannschaft im Innersten zusammenhält. Und das ist der Abspann: Das Derby Walddörfer SV gegen Oststeinbeker SV wird am Sonnabend ab 19 Uhr auf der Facebook-Seite der Cowboys live gestreamt. Das Abendblatt wird die Mannschaft auch weiterhin durch ihre Regionalligasaison begleiten.

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